Gender Health Gap
Ungleichheiten im Gesundheitssystem betreffen auch Kinder
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Die Diskussion um den Gender Health Gap – die Unterschiede in der medizinischen Versorgung und Diagnose zwischen den Geschlechtern – gewinnt zunehmend an Bedeutung. Besonders brisant ist dieses Thema, wenn es um Kinder geht. Obwohl die geschlechterspezifische Medizin immer mehr Aufmerksamkeit erhält, zeigen aktuelle Studien, dass der Gender Health Gap noch lange nicht überwunden ist. Dies betrifft nicht nur Erwachsene, sondern auch die jüngsten Mitglieder der Gesellschaft, wie eine aktuelle Studie der AXA-Versicherungsgruppe aus 2023 belegt. Demnach sind sich über die Hälfte aller befragten Hausärzt*innen unsicher, ob sie in ihrer Laufbahn aufgrund des Geschlechts falsche Diagnosen gestellt haben könnten.
Was ist der Gender Health Gap?
Der Begriff Gender Health Gap beschreibt die systematischen Unterschiede in der Diagnose und Behandlung von Krankheiten zwischen Männern und Frauen. Diese Lücke im Gesundheitssystem führt dazu, dass geschlechtsspezifische Unterschiede oft ignoriert werden. Noch bis vor Kurzem wurden viele medizinische Studien überwiegend an männlichen Probanden durchgeführt, was dazu führte, dass Frauen in Diagnose- und Behandlungsprozessen häufig übersehen wurden. Dies hat nicht nur für erwachsene Frauen schwerwiegende Folgen, sondern auch für Mädchen, deren gesundheitliche Bedürfnisse oft nicht richtig erkannt werden.
Erst 2022 trat eine EU-weite Regelung in Kraft, die vorschreibt, dass medizinische Studien alle Geschlechter gleichermaßen berücksichtigen müssen. Diese Änderung ist ein wichtiger Schritt, um geschlechtsbedingte Unterschiede in der medizinischen Forschung und Praxis anzugehen.
Ungleichheiten bei Kindern: Frühzeitige Diagnose entscheidend
Besonders bei Kindern ist die rechtzeitige Diagnose entscheidend, um gesundheitliche Probleme frühzeitig zu behandeln und langfristige Folgen zu vermeiden. Doch auch hier macht sich der Gender Health Gap bemerkbar. Studien zeigen, dass Jungen und Mädchen unterschiedlich diagnostiziert werden. So werden beispielsweise bei Jungen häufiger Verhaltensstörungen wie ADHS erkannt, während bei Mädchen emotionale Störungen, wie Angst- oder Panikstörungen, stärker in den Vordergrund treten.
Ein besonders eklatantes Beispiel für die Benachteiligung von Mädchen zeigt sich bei der Diagnose von Autismus. „Mädchen im Autismus-Spektrum neigen dazu, ihre Symptome besser zu verbergen oder durch Nachahmung sozialer Normen zu kompensieren“, erklärt Yvonne Laminger, Klinische Psychologin. Dies führt oft dazu, dass Autismus bei Mädchen erst spät erkannt wird, was zu Begleiterkrankungen wie Essstörungen oder Depressionen führen kann. Jungen hingegen werden häufiger und früher diagnostiziert, da ihre Symptome oft als „störend“ wahrgenommen werden.
Essstörungen und geschlechtsspezifische Wahrnehmung
Ein weiteres Beispiel für den Gender Health Gap ist der Umgang mit Essstörungen. Diese werden oft als „typisch weibliche“ Erkrankungen betrachtet, wodurch Jungen seltener und meist später die notwendige Hilfe erhalten. „Jungen äußern ihre Symptome aufgrund gesellschaftlicher Stereotype und dem Idealbild von Männlichkeit weniger offen“, erklärt Gerald Timmel, Geschäftsführer der Plattform DocFinder. Diese Zurückhaltung kann zu einer verzögerten Diagnose führen, was schwerwiegende Folgen für die Gesundheit der Betroffenen haben kann.
Geschlechterrollen beeinflussen auch das Schmerzempfinden
Auch im Bereich des Schmerzempfindens zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede. Mädchen äußern Schmerzen oft früher und deutlicher, während Jungen dazu tendieren, Schmerzen zu verbergen. Diese Unterschiede sind nicht nur auf die Sozialisation zurückzuführen, sondern auch auf hormonelle Einflüsse. Studien zeigen, dass das Hormon Östrogen die Schmerzwahrnehmung bei Mädchen und Frauen verstärken kann, während Jungen dazu erzogen werden, ihr Leiden zu minimieren. Diese Dynamik führt oft zu Fehldiagnosen oder einer verspäteten Behandlung.
Achtsamkeit gegenüber geschlechtsspezifischen Unterschieden
Der Gender Health Gap ist eine Herausforderung, die sowohl das Gesundheitssystem als auch die Gesellschaft betrifft. Es ist entscheidend, dass Eltern und Ärztinnen auf die Symptome der Kinder achten und geschlechtsspezifische Unterschiede nicht ignorieren. Eine frühzeitige und korrekte Diagnose kann helfen, schwerwiegende gesundheitliche Probleme zu verhindern. „Bei Auffälligkeiten oder Veränderungen sollten Eltern immer sofort einen Ärzt*in aufsuchen und rechtzeitig Hilfe holen“, appelliert Timmel. Nur so kann der Gender Health Gap schrittweise überwunden und eine gerechtere Gesundheitsversorgung für alle Geschlechter gewährleistet werden.
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