©Marina Shevencko
Wenn sie eine Kamera in den Händen hält, hält sie damit auch ihr Glück fest. Beides nahm Marina Shevchenko mit, als sie aus der Ukraine flüchten und ihr erfolgreiches Business zurücklassen musste. In Vorarlberg fängt die Fotografin und Gründerin von @monika.models und des gleichnamigen Kindermagazins ganz von vorne an. Eine Geschichte über eine unfreiwillige Metamorphose der besonderen Art.
„Dieser Ort fesselt mich“, sagt Marina Shevchenko über Vorarlberg. Für sie ist es ein Land, in dem sich Anmut und Gelassenheit verbinden. Zuerst eingeschüchtert „von den hohen Bergen“, inspiriert sie heute der Spirit einer für sie noch fremden Region und gibt ihr neue Impulse für die Arbeit als Fotografin. Ihr Equipment, ihr Netzwerk, ihr gesamtes Business – alles ließ Marina Shevchenko in Odessa, ihrer Heimatstadt, zurück und flüchtete, als Russland die Ukraine angriff. Der Weg war lang und beschwerlich, „aber wir konnten die unglaubliche Unterstützung unserer Landsleute spüren“, erzählt sie. „Das hat mir Kraft gegeben.“ Es gab bewegende Momente, die sie zu Tränen rührten – etwa wenn Freiwillige warme Speisen, sogar sorgfältig verpackt, bis zur Grenze brachten. „Ich erinnere mich besonders an eine Situation, als spät abends ein völlig Fremder an die Autoscheibe klopfte und warmes Abendessen, Tee und frischgebackenen Kuchen anbot. Er meinte, er habe das selbst schon am eigenen Leib erfahren, jetzt wolle er auch anderen helfen.“ Spätabends kam Marina in Vorarlberg an. „Die hohen Berge waren überwältigend“, erinnert sich die 38-jährige Mutter zweier Kinder. „Als wir morgens aufwachten, wurden wir von so einer unglaublichen Aussicht beschenkt, sodass mir klar wurde: Hier werden wir uns nach allem, was wir durchgemacht haben, erholen können.“ Die Hilfe und Unterstützung, die Marina in Österreich erfahren hat, war für sie von unschätzbarem Wert. Jeder Einzelne, den sie auf ihrem Weg getroffen hat, half.
„Den Rat meines Vaters habe ich mir zu Herzen genommen und der Erfolg war tatsächlich immer auf meiner Seite.“
Minimodels
Vor diesem Albtraum erlebte Marina eine Kindheit mit gelebten Familientraditionen und der Devise: Alles ist möglich, es liegt in deiner Hand. Ihr Vater, Kapitän, riet seiner Tochter immer wieder: „Liebe deine Arbeit. Sei aufrichtig, flexibel und professionell und du wirst die richtigen Menschen anziehen.“ „Seinen Rat habe ich mir zu Herzen genommen“, sagt Marina, „und der Erfolg war tatsächlich immer auf meiner Seite.“ Obwohl sie sich selbst als kreative Person bezeichnet, arbeitete sie nach einer höheren wirtschaftlichen Ausbildung sogar als Buchhalterin. Aber Zahlen und Tabellen waren bald passé: „Ich habe schnell gemerkt, dass das nicht meins ist“, sagt sie und lacht. Wirklich fasziniert hat Marina immer nur das Fotografieren. Zuerst begann sie deshalb, Familien zu shooten. Obwohl speziell die Kinderfotografie ihre besonderen Tücken hat, fand sie gerade zu den Knirpsen schnell einen guten Draht. Aus diesem Talent entwickelte sich mit „Monika Models“ und ihrem Magazin „Monika“ im Laufe der Zeit ihr eigenes Business. Die Idee, sich mit einem eigenen Magazin auch im Printbereich zu etablieren, entstand, als Marina ihre Fotoarbeiten ausstellte und sich der Andersartigkeit ihrer Wirkung bewusst wurde. In ihrem Magazin wird nicht nur Kids-Fashion gezeigt, es kommt auch die Persönlichkeit der kleinen Models vor den Vorhang. „Das ist ein sehr interessanter, spannender Prozess für alle Beteiligten“, sagt Marina. Darauf aufmerksam geworden, fragten immer mehr Modelabels an, mit der Bitte, ein Lookbook für ihre neuen
Kollektionen zu erstellen.
„Die interessanten, kreativen Menschen, denen ich auf meinem Weg begegne, machen mein Leben bunter und erweitern meinen Horizont. Wenn ich eine Kamera in den Händen halte, ist das Glück, wo immer ich bin.“
Grenzenlose Träume
Die interessanten, kreativen Menschen, die Marina Shevchenkos Weg kreuzen, sind neben ihren beiden Kindern ständige Quellen der Inspiration: „Sie machen mein Leben bunter und erweitern meinen Horizont.“ Jede ihrer Fotosessions ist deshalb auch etwas Besonderes. Die denkwürdigsten, weil unkalkulierbarsten Shootings entstehen in der Arbeit mit Tieren und kleinen Kindern. Deren Spontanität beflügelt den kreativen Prozess und lässt unvorhergesehene, spannende Ergebnisse entstehen. Aktuell versucht die Ukrainerin, sich so gut wie möglich in
Vorarlberg zu integrieren, studiert Kultur und Sprache. Und sie weiß: Alles wird gut. Die Hauptsache ist, Vertrauen zu haben und zu handeln, wie ihr Vater immer sagte. Marinas Träume sind grenzenlos, aber: „Wenn ich eine Kamera in meinen Händen habe, ist das Glück, wo immer ich bin.“
Text von Christine Mennel