Ulla Wälder – die Fotografin

Foto: birgit riedmann photography

Ein Lost Place mitten im Allgäu. Abgeschieden, verlassen, geheimnisumwittert und etwas morbide. Der kleine Weiler nahe Kißlegg mit Kirche und Pfarrhaus aus dem 17. Jahrhundert sowie mehreren Nebengebäuden wirkt wie im Dornröschenschlaf versunken. Es ist Zufall, dass die in Dornbirn lebende Fotografin Ulla Wälder über einen befreundeten Immobilienentwickler auf diesen speziellen Ort aufmerksam wird. „Als ich das erste Mal dort war, sind mir direkt die Haare zu Berge gestanden. Der Ort ist wie ein kleines Dorf, hat viel Seele und ­Geschichte. Ich war sehr berührt“, erzählt die gebürtige Dänin. Rasch ist klar, dass sie in dem ehemaligen Pflege- und Seniorenheim Bärenweiler, das Jahrhunderte im Besitz der fürstlichen Familie Waldburg-Zeil stand, ein Kunstprojekt umsetzen möchte. Über ein Jahr arbeitet Ulla an einer Porträtserie, die sie schließlich im April 2023 an vier Tagen in Bärenweiler ausstellt. Ein großer Erfolg, denn der Einladung folgen fast 800 Besucher.

PICS Ulla Wälder

Design ist dna.

Die Leidenschaft für Fotografie im Allgemeinen und für Porträts im Speziellen lebt Ulla als Profi seit zehn Jahren aus. Ihre berufliche Laufbahn stand aber schon immer ganz im Zeichen der Kreativität. Als eine von 40 aus 900 Bewerber:innen wird sie an der Danmarks Designskole in Kopenhagen aufgenommen, die sie mit einem Masterabschluss in der Tasche wieder verlässt und erfolgreich als Innenarchitektin durchstartet. „Das Business ist gut gelaufen, wir hatten am Schluss sechs Angestellte“, erinnert sich Ulla. Der Fokus liegt auf Geschäftseinrichtungen – für das Schuhlabel ECCO etwa entwickelt sie mit ihrem Team das weltweite Shopkonzept. Design scheint den Dänen in der DNA zu liegen. „Ja, das ist so“, meint sie lachend. „In kenne in Dänemark eigentlich niemanden, bei dem ich nicht sofort eine Home-Story für ein Hochglanzmagazin fotografieren könnte“, fügt sie schmunzelnd hinzu. Am langen, kalten und dunklen Winter der Nordhalbkugel liege das, ist ihre Vermutung. „Weil man so viel Zeit daheim verbringt, legen die Menschen noch mehr Wert auf schöne Einrichtung und gutes Licht, damit es behaglich und gemütlich ist.“ Ihre Erfahrungen als Interior Designerin, das ausgeprägte Gespür und geschulte Auge für visuelle und räumliche Komposition legen einen
wertvollen Grundstein für ihren heutigen Beruf als Fotografin.

Pariser flair.

Vor 20 Jahren führte das Leben Ulla nach Vorarlberg. Die erste Dekade verbringt sie im beschaulichen Kleinwalsertal, vor zehn Jahren fällt die Wahl für einen ­neuen Lebensmittelpunkt auf das Rheintal. „Es war Mai, als mein Mann und ich nach Dornbirn zum Markt gefahren sind. Im Kleinwalsertal lag noch Schnee, aber hier war es sonnig, alle waren schick angezogen, haben Blumen und feine Dinge gekauft und Prosecco getrunken. Ich hatte das Gefühl, ich bin in Paris“, erzählt die sympathische Wahl-Vorarlbergerin. Mit dem Umzug öffnet sich auch beruflich ein neues Kapitel. „Fotografiert habe ich immer schon gerne und durch meinen Beruf als Innenarchitektin waren Themen wie Licht, Schatten, Farbe oder Bildkomposition nicht schwierig, aber das technische Know-how, um alles exakt so umzusetzen, wie ich es mir vorstelle, hat gefehlt.“ Ulla belegt die Masterclass Photography und arbeitet seither als selbstständige Fotografin im Bereich Hotel/Tourismus/Interior und macht Porträtfotografie. „Das eine kann ich gut, für das andere brenne ich“, bringt sie es auf Punkt. Die Wirkung ihrer Porträts ist dabei verblüffend – geradlinig, unverschnörkelt und pur, ohne grelle Inszenierung oder heftige Retusche sind die Bilder gerade in ihrer Schlichtheit spektakulär berührend.

Porträts sind etwas sehr intimes. wenn ich jemanden fotografiere und mir die Bilder dann anschaue, bin ich ab und zu wie verhext oder verliebt. was mich fasziniert, ist der Moment, in dem die Seele des jeweiligen Menschen rüberkommt.

Ulla Wälder

Mitten ins Herz.

Dass die Menschen auf den Porträts mit ihrem Blick die Betrachter oft direkt ins Herz treffen, ist nicht nur dem Talent von Ulla geschuldet, sondern hat viel mit ihrer Persönlichkeit zu tun. Offen und mit äußerst sensiblen Antennen ausgestattet, weiß sie gut mit Menschen umzugehen. Fantasie, Empathie, aber auch ihr Hang zum Perfektionismus und die Fähigkeit in allem und jedem Schönheit wahrzunehmen, spielen eine große Rolle. „Was mich fasziniert, ist der Moment, in dem die Seele des jeweiligen Menschen rüberkommt. Selbst wenn ich Hunderte Fotos von jemandem mache, weiß ich fast immer auf Anhieb, welches das richtige ist“, erklärt Ulla. Gerade in ihren Bärenweiler Porträts kommt dieser Anspruch besonders gut zum Ausdruck. „Viele Besucher haben gesagt, dass die Fotos wie Gemälde wirken, und gefragt, wie ich das hinbekomme.“ Dass sie bei dem Kunstprojekt alles selber steuern kann – vom Setting über die Menschen bis zum Outfit –, kommt Ulla sehr entgegen. Bevor sie loslegt, sprechen allerdings zuerst die Räume mit ihr. „Ich fand den Ort faszinierend, aber auch traurig, denn es hat gewirkt, als ob die Menschen gerade erst zur Türe hinausspaziert wären. Darum wollte ich die Gemäuer wieder mit Leben füllen.“ Bei jedem Raum stellt sich Ulla zuerst die Frage, welcher Typ Mensch dort gelebt oder gearbeitet haben könnte. Dann sammelt sie auf Flohmärkten und in Secondhand-Läden passende Kleidung und Accessoires und lichtet insgesamt 23 Personen ab. Eine wichtige Voraussetzung bei der Wahl: Natürlichkeit und Ausstrahlung statt Botox und Selfie-Attitüde. „Das Älterwerden kann man eh nicht aufhalten, da ist es besser, die Seele leuchtet.“ Alles eine Frage der Perspektive, die von Ulla lautet: Beauty is everywhere.

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