Auf der Couch Erika Pluhar

Ein Interview

6 Min.

PIC Philipp Steurer

Text: Cornelia Ammann und Sandra Kacetl

ERIKA PLUHAR

Sie ist ein Multitalent mit faszinierender Persönlichkeit und hat eine bemerkenswerte Karriere hingelegt. Als renommierte Schauspielerin, Sängerin und Autorin verkörpert sie Stil, Intellekt und Leidenschaft. Auf der Couch der VORARLBERGERIN erzählt sie aus ihrem abwechslungsreichen, mitunter tragischen Leben, spricht offen und durchaus provokant über Themen wie Älterwerden, Gendern oder #MeToo und stellt ihr neues Buch vor.

Sie sind knapp über 80 Jahre alt und sehen blendend aus. Fühlen Sie sich jünger, als Sie sind?

Alt sein ist keine Schande und man soll nicht so tun, als wäre es das. Ich stehe dazu, dass ich 84 bin! Ich glaube, dass sich jeder alte Mensch eigentlich viel jünger fühlt, oft noch wie ein Kind, nur rein körperlich und optisch sind wir es nicht. Daher bin ich der Meinung, dass ich wie 84 aussehe.

Wir wissen aber, dass Aussehen in unserer Gesellschaft und vor allem auch in den darstellenden Künsten eine große Rolle spielt. Haben Sie nie in Betracht gezogen, etwas machen zu lassen?

Mir ist sehr wichtig zu betonen, dass ich nie jemanden an mir „herumschnippeln“ lassen würde. Da bin ich vehement dagegen, weil es meiner Ansicht nach auch gar nicht hilft. Ich erkenne bei jeder Frau, ob sie etwas hat machen lassen, auch wenn es nur aufgespritzte Lippen sind. ­Natürlich wäre es mir auch lieber, ich hätte keine Falten auf der Oberlippe, aber solche Eingriffe verändern ein Gesicht und das interessiert mich nicht. Ich möchte genau so ans Ende meines Lebens gehen, wie das Leben mich gemacht hat. Aber es gibt natürlich Umstände, wo die kosmetische Chirurgie sehr wohl eine Berechtigung hat.

Vielleicht braucht es einfach mehr Mut, um in jeder Lebenslage zu sich selber zu stehen?

Ohne Mut geht es nicht. In diesem Kontext fällt mir ein Satz ein, den ich oft gebrauche – ich finde nämlich, dass unser Menschenleben eine Zumutung ist. In diesem Wort steckt der Begriff „Mut“ drinnen. Wenn wir auf die Welt kommen, haben wir keine Ahnung, was auf uns zukommt. Was werden wir einmal tun? Wie alt werden wir? Die einzig sichere Tatsache ist, dass wir irgendwann wieder gehen müssen. So ­gesehen ist das Leben eigentlich eine mutige Angelegenheit. Und gerade beim Älterwerden muss man ­diesen Mut wirklich sehr bewusst einsetzen.

Sie hatten ein sehr bewegtes Leben, waren mit zwei außergewöhnlichen, durchaus schwierigen Männern verheiratet. Was hat sie an Udo Proksch und André Heller fasziniert?

Sie waren beziehungsweise sind beide sehr besonders, das muss ich schon sagen, und ich habe einiges von ihnen gelernt. André Heller lebt ja noch, aber Udo Proksch ist bereits 2001 verstorben. Beide waren ausgeprägte Machtmenschen und das hat mich persönlich zu der Überzeugung gebracht, dass ich mit Macht und Bemächtigung nichts zu tun haben will. Auch wenn ich auf einer Bühne stehe, möchte ich mich nie eines Publikums bemächtigen, das habe ich auch mein Leben lang durchgehalten. Durch André Heller bin ich zum Schreiben gekommen. Er war ein Poet und ich habe mir damals gedacht, das kann ich auch. Udo Proksch war wiederum maßgeblich daran beteiligt, dass Ignaz damals zu uns gekommen ist, denn er kannte einen Saharaui-Vertreter in Wien. Er hat viel getan, das wirklich hilfreich und gut war. Andererseits hat er leider dauernd mit der Pistole herumgewedelt und kein gutes Bild abgegeben. Wie bekannt ist, wurde er lebenslänglich wegen Mordes verurteilt und ist nach dem Tod unserer Tochter Anna recht schnell im Gefängnis verstorben – das hat ihm das Herz gebrochen. Anna hat ihren Vater sehr geliebt und war für ihn ein wichtiger Halt, als er im Gefängnis saß. Wir haben dann spät, aber doch gute Gespräche geführt, die mir gezeigt ­haben,

Das Leben hat mir wirklich ordentliche Hürden auferlegt. Das Schlimmste war der Verlust meiner Tochter.

Erika Pluhar

dass ich diesem Menschen nicht zu Unrecht begegnet bin. Aber schwierig waren beide Ehen. Selber schuld, es gehören ja immer zwei dazu. (lacht)

Wie sehen Sie die heutige Rolle der Frau im Vergleich zu früher?

Als Frau habe ich schon einen echten Lebenskampf hinter mir. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass Frauen selbstständig sein dürfen, dazu gehört aber auch, dass man sich selber ernähren kann. Jetzt erlebe ich, dass viele Frauen, wieder von vorne anfangen. Sie bauen zwar auf dem auf, was Frauen meiner Generation im Vorfeld geschaffen haben, aber manche Diskussionen gehen mir einfach zu weit und in die falsche Richtung.

Welche Diskussion meinen Sie konkret? Können Sie das anhand von Beispielen etwas näher erläutern?

Das Thema Gendern beispielsweise – der Diskurs ist mitunter ganz gut, wird aber oft bis an die Grenze der Dummheit getrieben. Oder #MeToo. Es ist wichtig, dass man auf Vergewaltigungen oder Femizide eingeht, aber ich wurde zu diesem Thema auch befragt und meine Antwort lautet: „Not Me!“ Ich war jung, ich war hübsch, ich war beim Theater und ich war beim Film. Wenn jemand blöd war, habe ich mich immer gewehrt, da muss man etwas riskieren. Es ist eine politische Entscheidung. Man kann nicht mit einem Produzenten ins Bett gehen und dann Jahrzehnte später feststellen, dass das nicht okay war, auch wenn er einen berühmt gemacht hat. Was ich damit sagen möchte, ist, dass das äußerst ­diffizile ­Problematiken sind, bei denen ich mir mehr Genauigkeit
erbitten würde.

Soziale Medien sind bei solchen Debatten entscheidend für die Meinungsbildung. Segen oder Fluch?

Wen ich gar nicht mag, sind Influencerinnen. Alles, was wir damals mühsam abgeworfen haben, wollen sie wiederhaben. Ich finde, es geht nur darum, Mensch sein zu dürfen. Frauen hier in Europa können behaupten, dass sie menschenwürdig leben. Aber weltweit gesehen, ist die Situation ein schreckliches Desaster. Wenn man überlegt, was verschiedene Religionen anrichten und wie es Frauen in Afghanistan, im Iran oder aktuell wieder in der Türkei geht. Man darf bei diesem Thema nicht an den Grenzen von Österreich und Europa aufhören zu denken, denn die Situation von Frauen global gesehen ist nach wie vor eine sehr schwierige.

Im Juli 2023 erscheint im Residenz Verlag ein neues Buch von Ihnen. Worum geht es?

Es ist ein sehr persönliches Buch mit dem Titel Gitti. Darin geht es um meine fünf Jahre ältere Schwester, die ich sehr liebe. Leider ist sie völlig im Nebel von Alzheimer verschwunden. Sie erkennt mich zwar noch, aber wir können uns nicht mehr unterhalten. Ich wollte gerne ihr Leben aufschreiben, meine Verlegerin hat mich dann zu diesem Buch motiviert. Ich beschreibe darin die Kriegskindheit und Nachkriegsjugend von Gitti. Es ist gar nicht so unbrisant, denn mein Vater war Nazi und Mitglied in der Partei. Gott sei Dank war er kein Mörder oder Verbrecher. An die Zeit des Krieges und die Bombardierung von Wien kann ich mich selber noch erinnern, ich war richtig traumatisiert. Gitti ist jedenfalls ein sehr persönliches Buch geworden, nicht rein biografisch,
sondern natürlich mit Fiktion gemischt.

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