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Wer Visionen hat, braucht einen Arzt. Das Zitat wird meist Franz Vranitzky zugeschrieben, ab und zu auch Helmut Schmidt. Spielt in diesem Fall keine Rolle, jedenfalls amüsiert es Marc Hoffenscher. Der Dornbirner Architekt würde allerdings – egal welchem der beiden ehemaligen Bundeskanzler – liebenswürdig, unbeeindruckt und vehement widersprechen. »Mut braucht es halt dazu«, sagt er und ergänzt: »Mut zu Visionen, zu Individualität und innovativen Wegen.« Kein Lippenbekenntnis, seine Bauwerke atmen diesen
Ansatz vom Keller bis zum Dach. 2022 wurde das von ihm »
entworfene eigene Bürogebäude mit dem »Outstanding Property Award London« in der Kategorie »Architectural Design of the Year« unter 600 Einreichungen aus 52 Nationen ausgewählt – ein renommierter Preis, den er bereits zum fünften Mal abräumt.
»Mut zu Visionen, zu Individualität und innovativen Wegen.«
Marc Hoffenscher
Die Jurybegründung lässt tief in Marc Hoffenschers künstlerische Architektenseele blicken: »Die Struktur verhält sich stehend und fliegend, sie ist geschlossen und offen, glatt und porös. Diese Gegensätze ergänzen sich zu einem Raum der Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten, Visionen und erinnern uns daran, was Architektur sein kann.« Es ist genau diese Lust, neues architektonisches Vokabular auszuloten, der Mut zum Experiment und die Entschlossenheit, einen unbequemeren Weg zu gehen, warum Marc Hoffenscher so für seinen Beruf brennt. In jeder Faser verinnerlicht hat er diese Leidenschaft während seines Studiums an der Universität für angewandte Kunst in Wien und in London an »The Bartlett School of Architecture – UCL«.
»Jeder, der von der Uni kommt, ist unbrauchbar«, wirft Marc etwas provokant in den Raum und lacht.
»Man muss verstehen, dass man an der Universität nichts lernen, sondern nur eine Leidenschaft entwickeln kann«, erklärt er. Dafür müsse man frei experimentieren können, seine Visionen suchen und herausfinden, was einen richtig packt, ist er überzeugt. Das hat Marc offenbar sorgfältig getan. An die Jahre an der Angewandten in der Klasse von Wolf D. Prix von Coop Himmelb(l)au erinnert er sich gerne zurück. Der streitbare Professor förderte nicht nur Marcs kreativen, sondern auch seinen kritischen Geist. »Es war eine höchst emotionale Zeit, mit extremer Anspannung, in der ich permanent überfordert war. Aber genau das war toll, denn es war hohes Engagement gefragt, weil der Prix nämlich ständig Leute rausgeschmissen hat. Auf der anderen Seite konnte man sich gut an ihm reiben und er hat immer gesagt: Die Klasse muss ein paar Verrückte tragen können.«
Rückkehr nach Vorarlberg
2007 kehrt Marc nach Vorarlberg zurück, gründet sein eigenes Büro und setzt seither mit ungewöhnlichen architektonischen Gesten frische Akzente im Land, gestaltet aber auch das Interior von Räumen oder entwirft Leuchten und Möbel. Auch wenn Vorarlberger Architektur »weltweit einen hervorragenden Ruf genießt, sieht Marc die Situation nicht nur rosig. »Ich finde es wichtig, sich an den Besten zu orientieren. Zum Beispiel in der Holzarchitektur gibt es international schon viele tolle Projekte, die viel weiter sind als wir. Die Typologie hat sich hier in den letzten Jahren nicht spürbar weiterentwickelt. Man versucht es ›ghörig‹ zu machen, da wissen alle schon, wie es geht, daher ist das Ergebnis häufig mittelmäßig«, merkt er kritisch an. »Ich glaube, dass wir wieder lernen müssen zu scheitern«, setzt er nach. »Das ›ghörig‹ hindert uns allerdings daran, Dinge auszuprobieren und zu experimentieren, denn wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob es funktioniert, aber Scheitern ist bei uns nicht erlaubt. Meiner Meinung nach ist allerdings jedes gute Projekt ein elegantes Scheitern.«
PIC Jessica Alice Hath // Marc Hoffenscher || Projekt »Strickwerk« – Umbau einer Textilfabrik zu einer Wohnanlage,
deren Fassade sich mit den Stützelementen zu einem Fassadenbild verstrickt.
Ob mit Kollegen, Gestaltungsbeiräten, Bauträgern oder der Politik – was Marc im Architekturland Vorarlberg besonders vermisst, sind aktuelle niveauvolle Diskussionen. »Ich bin eigentlich immer enttäuscht, weil ich finde, dass man über Architektur viel interessanter diskutieren könnte.« Stattdessen würde der Diskurs oft »
atmosphärisch verwässert oder mit der Keule abgetötet. Ab und zu habe ich auch das Gefühl, dass man die Hand, die einen füttert, nicht beißen möchte.«
Seinen Bauherren stellt er gerne die durchaus selbstkritische Frage, warum sie überhaupt einen Architekten brauchen. »Wir schaffen uns langsam selber ab«, erklärt er, »denn gute Baumeister und Handwerker haben mittlerweile so viel Know-how und sind im Sport des Versteckens oder Simplifizierens derart gut, dass sie uns zeigen, wie es am besten geht und nicht umgekehrt.« Das Potenzial und auch die Verantwortung eines Architekten liege nicht in der Reproduktion des ewig Gleichen, sondern darin, neue und besondere Lösungen zu finden, ist er überzeugt. »Wir wollen nicht einfach ein Gebäude planen, sondern eine Geschichte erzählen – über den Ort, den Bauherren, vielleicht über ein Lebensgefühl oder eine formale Lösung.« Es braucht Emotion und das Ergebnis soll jedenfalls einzigartig sein. Und da sind wir wieder: Dafür braucht es Mut, Visionen und einen kreativen, unerschrockenen Geist. An all dem mangelt es Marc definitiv nicht, das zeigt schon sein Credo: Alles, was ist, ist. Alles, was nicht ist, ist möglich. «
PICS Christoph Theurer Photography || Projekt »Raumband« – ein monolithischer Baukörper wird von einem räumlich gelösten Metallband umspielt.
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