Insta-Moms: Wie Social-Media Druck auf Mütter ausübt

So schützt man sich gegen Vergleiche & Co.

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© Pexels/Leeloo the first

Der Druck auf Mamas wird immer größer und die scheinbar perfekte Welt der sogenannten „Insta-Moms“ macht es nicht besser. Dabei sollte man sich immer wieder vor Augen führen, dass viele dieser Accounts Geschäftsmodelle sind und nicht das echte Leben abbilden.

Mit einem Baby verändert sich das Leben einer Frau von Grund auf. Man ist plötzlich fremdbestimmt und nicht mehr nur für sich selbst verantwortlich. Dazu kommt die Vereinbarkeit von Familie und Job, wenn man wieder arbeiten geht. Fragen über Fragen – und sehr oft auch ein Gefühl der Überforderung. Besonders junge Frauen suchen dann in den sozialen Medien nach Rat und Unterstützung. Wie sinnvoll das ist und warum „Mental Load“ nicht nur bei jungen Mamas ein massives Thema ist, haben wir mit Doris Polzer, Geschäftsführerin des Vereins PROGES, besprochen.

Doris Polzer, Geschäftsführerin von PROGES, im Interview

Der Druck auf Mütter scheint immer größer zu werden. Ist das etwas, was Sie auch in Ihrem Arbeitsalltag sehen?
Dr. Doris Polzer: Vor allem in unseren Frauengesundheitszentren in Wels und Ried sehen wir, dass das Thema „Mental Load“ immer mehr Frauen beschäftigt. Es geht dabei um das Gefühl der Überlastung durch vielfältige Aufgaben, Ansprüche und Herausforderungen, die das Leben an die Frauen stellt. Das beschränkt sich nicht nur auf junge Mamas, allerdings wird „Mental Load“ häufig im Zusammenhang mit dem Muttersein das erste Mal akut. Die große Herausforderung der Umstellung kommt ja meist mit einem Baby. Man ist plötzlich fremdbestimmt und dauernd verfügbar. Man hat wesentlich mehr Verantwortung und ist ständig damit beschäftigt, Gefühle zu begleiten und zu regulieren – die vom Kind, aber auch seine eigenen. Das Leben wird plötzlich unplanbar. Allerdings ist die Zielgruppe der jungen Mütter sehr schwer erreichbar für persönliche Beratungen. Sie suchen eher in den sozialen Medien Unterstützung.

Wie sinnvoll ist es, Social Media in solchen Dingen zu „befragen“?
Speziell Instagram hat sich zu einer Erstanlaufstelle entwickelt, bei der Frauen oft Rat bei Fragen rund um Mutterschaft suchen. Früher hat man vielleicht einmal in einem Erziehungsratgeber nachgeschlagen oder eine Freundin gefragt. Heute ist es so, dass man schnell mal auf Instagram schaut, ob es zu einer bestimmten Frage schon ein Video gibt, jemand seine eigenen Erfahrungen gepostet oder Tipps in einem Posting zusammengefasst hat. Auf Instagram findet man erstaunlich viel – von Erste Hilfe über Vereinbarkeit von Familie und Job bis hin zu Einrichtungstipps fürs Kinderzimmer.

Speziell Instagram hat sich zu einer Erstanlaufstelle entwickelt, bei der Frauen oft Rat bei Fragen rund um Mutterschaft suchen.

Dr. Doris Polzer

Wie seriös sind diese Tipps?
Wenn es mir gelingt, mich mit Gleichgesinnten zu vernetzen und mir das rauszusuchen, was mir guttut und für meine Familie und mich stimmig ist, spricht nichts dagegen, sich in den sozialen Medien umzusehen. Die Kehrseite dieser Medaille ist allerdings, dass einem vielfach eine heile Welt vorgegaukelt wird und man sich manchmal unweigerlich fragt, was bei einem selbst falsch läuft, weil eben nicht alles so toll und perfekt ist. Man übersieht dabei nämlich leicht, dass es nicht der Alltag ist, der auf diesen inszenierten Bildern und in Videos gezeigt wird.

Um Authentizität und Spontanität zu vermitteln, werden zwar alltägliche Dinge abgebildet, aber man muss sich immer vor Augen halten, dass viele von diesen sogenannten Insta-Moms Geschäftsmodelle sind. Sie verdienen Geld damit, perfekt geschminkt und gestylt fünf Sekunden lang alles richtig zu machen. Den Aufwand, der dahintersteckt, sieht man ja nicht. Solche Insta-Accounts werden professionell gemanagt. Für Videos gibt es zum Beispiel einen genauen Plan und so etwas wie ein Drehbuch, außerdem etliche Helfer, die beim Dreh oder Fotoshooting dabei sind. Das echte Leben einer Mama sieht definitiv anders aus.

Leider ist es oft so, dass einem das eigene Leben beim Durchscrollen ziemlich unzulänglich vorkommt. Man vergleicht sich ja meistens mit Menschen, die ein vermeintlich besseres Leben führen …
Das stimmt, wobei sich das nicht nur auf junge Mütter beschränkt. Und es ist grundsätzlich auch gar nichts Schlechtes, eine Idealvorstellung von seinem Leben zu haben. Diese Sehnsucht nach einem guten Leben ist etwas sehr Menschliches. Der natürliche Gap zwischen Ist- und Sollzustand kann bis zu einem gewissen Grad auch motivierend sein. Bedenklich wird es dann, wenn aus dem Idealbild ein Muss wird und man nur noch zufrieden ist, wenn es zu 100 Prozent erfüllt ist.

Wie wirkt es sich auf das Selbstwertgefühl und das psychische Wohlbefinden von Mamas aus, wenn sie ständig mit perfekten Bildern und Lebensstilen konfrontiert sind, die auf Instagram & Co. gezeigt werden?
Es gibt Studien, die belegen, dass depressive Verstimmungswerte zunehmen, nachdem man sehr lange Videos auf Instagram konsumiert hat. Das bedeutet, dass diese Wirkung nicht nur eine gefühlte ist, sondern dass man das tatsächlich messen kann. Sich ständig abzugrenzen und in Erinnerung zu rufen, dass es nicht die Realität ist, die auf Social Media gezeigt wird, ist anstrengend und braucht sehr viel Selbstsicherheit. In einer neuen Lebensphase, beispielweise beim ersten Kind, ist das eine umso größere Herausforderung.

Warum ist diese Herausforderung so groß?
Weil es beim Muttersein viele verschiedene Möglichkeiten gibt, wie man diese Rolle leben kann. Es gibt kein Richtig oder Falsch, weil die Kinder so unterschiedlich sind wie ihre Mütter und auch jede Familiensituation anders ist. Dadurch steigt allerdings auch die Verunsicherung. Die Folge ist sehr oft Überforderung. Frauen entscheiden sich heute eher später für ein Kind. Sie haben einen Beruf erlernt, eine längere Ausbildung gemacht und auch schon einige Jahre gearbeitet. Das erste Kind ist dann mit einer gewissen Vorstellung und Erwartung verbunden. Und auch mit der Idee von sich selbst, es als Mama gut machen zu wollen. Wenn diese Erwartungen nicht zu 100 Prozent eintreten, ist das mühsam und anstrengend.

Kinder sind immer eine massive Veränderung im Leben einer Frau. Wenn sie dann wieder in ihren Job einsteigt, entsteht oft ein Spannungsverhältnis. Man möchte allem gerecht werden, der Druck steigt – auch vonseiten der Gesellschaft. Es ist heutzutage immer noch ein bisschen schwieriger, eine gute Mutter zu sein als ein guter Vater.

Was kann man tun, um nicht in dieses ständige Vergleichen hineinzukippen?
Wie bereits angesprochen sollte man sich immer wieder vor Augen führen, dass vieles auf Instagram ein Geschäftsmodell ist, mit dem andere Menschen ihr Geld verdienen. Und man sollte wirklich darauf achten, was einen triggert. Ist es zum Beispiel dieser ganze Perfektionismus in Schönheitsfragen? Oder springe ich vielmehr in Bezug auf Leistung an? Bei diesem ständigen Vergleichen ist man gefährdet, immer einen Ich-Bezug herzustellen. Auf andere zu schauen und sich auch etwas von ihnen abzuschauen, ist per se nichts Schlechtes. Gefährlich wird es, wenn Neid entsteht und man sich ständig fragt, ob man das auch so gut machen könnte. Das ist eine Falle, aus der schnell ein „Ich muss, ich muss, ich muss“ wird.

Viele Mütter sind überfordert, trauen sich das aber nicht offen anzusprechen – aus falscher Scham oder Angst, als „schlechte“ Mutter abgestempelt zu werden. Warum würde ein ehrlicher Austausch gerade in so einer Phase guttun?

Manchmal ist einem alles zu viel – und das darf auch so sein! Es ist wichtig, das einmal in einem geschützten Rahmen offen sagen zu dürfen. Sich in einem persönlichen Gespräch oder einer Beratung professionelle Unterstützung zu holen, ist etwas, was einem guttut. Es kann zum Beispiel auch helfen, einen Schritt zurückzusteigen und genau hinzuschauen, was dieses Gefühl der Überforderung auslöst.

Welche Art von Unterstützung geht mir im Alltag ab? Fehlt es mir an Möglichkeiten, einmal am Tag Zeit für mich selbst zu haben? Was genau ist mir zu viel? Habe ich mich vielleicht auch schon sozial sehr zurückgezogen? Belastet mich das Gefühl der dauernden Verfügbarkeit? Dazu kommt noch die Frage, welches Bild man von einer „guten“ Mutter hat. Woran erinnere ich mich aus meiner eigenen Kindheit? Wie habe ich meine Mama erlebt? Welche Erwartungen werden von meinem Umfeld an mich herangetragen? Was darf eine „gute“ Mutter oder was darf sie nicht? Dazu darf man sozusagen auf Entdeckungsreise zu sich selbst gehen.

Mental Load wird häufig im Zusammenhang mit dem Muttersein das erste Mal akut. Die große Herausforderung der Umstellung kommt ja meist mit einem Baby.

Dr. Doris Polzer

Über PROGES

PROGES ist eine Non-Profit-Organisation und bietet Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheitsförderung, Prävention, Therapie sowie Aus- und Weiterbildung für Menschen in allen Lebenslagen. Seit 20 Jahren beraten Expertinnen und Experten aus den Bereichen Lebens- und Sexualberatung, Psychotherapie, Allgemeinmedizin, Gynäkologie, Ernährungswissenschaften und Recht Frauen und Mädchen in unterschiedlichsten Problem- und Lebenslagen.
www.proges.at

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