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Die Arbeitsmoral von jungen Menschen steht immer wieder in der Kritik. Doch was bedeutet eine gesunde Work-Life-Balance wirklich und können wir alle davon profitieren?
Ständige Erreichbarkeit und flexible Arbeitsmodelle wie Homeoffice lassen die Grenzen des Berufs- und Privatlebens immer mehr verschwimmen und stellen uns vor neue Herausforderungen. Während einige den Begriff Work-Life-Balance kritisch betrachten, suchen andere nach konkreten Lösungen für eine ausgewogene Lebensführung.
„Work-Life-Balance ist für mich ein schwieriger Begriff, da er suggeriert, dass Arbeit und Leben getrennt sind. Wenn meine Arbeit mir Energie gibt und ich sie in mein privates Leben integrieren kann, habe ich eine gesunde Work-Life-Balance“, so Monika Edlinger, Personal-Transformation-Managerin. Warum es an der Zeit ist, über die klassische Trennung von Arbeit und Privatleben hinauszudenken, und wie verschiedene Lebensphasen und Generationen die Balance neu definieren, erklärt sie im Interview.
Warum ist das Thema Work-Life-Balance so konfliktbehaftet?
Konflikte am Arbeitsplatz entstehen oft durch unterschiedliche Erwartungshaltungen und mangelnde Kommunikation. Wenn jemand sieht, dass ein:e Kolleg:in weniger Zeit im Büro verbringt oder während der Arbeitszeit private Dinge erledigt, kann dies zu Spannungen führen. Diese Vermischung von Arbeit und Privatleben wird häufig missverstanden. Viele erkennen nicht, dass Arbeit nicht nur im Büro stattfindet und dass man auch außerhalb der Arbeitszeit berufliche Aufgaben erledigen kann. Nur weil jemand das Büro verlässt, bedeutet das nicht, dass er komplett abschaltet und nur noch privat unterwegs ist.
Wie sehen Sie die Herausforderungen verschiedener Lebensphasen in Bezug auf Work-Life-Balance? Stichworte: Berufseinstieg, Karenz, Trennungen.
In Schlüsselmomenten wie dem Berufseinstieg, der Elternzeit oder der Pflege von Angehörigen sind die Herausforderungen besonders deutlich spürbar. Junge Menschen müssen oft eine Balance zwischen Karriereaufbau und persönlicher Entwicklung finden. Mütter und Väter in der Elternzeit jonglieren zwischen Beruf und familiären Verpflichtungen. Auch der Übergang in den Ruhestand bringt die Herausforderung mit sich, die Zeit sinnvoll zu gestalten, ohne den Anschluss an die eigenen Lebensziele zu verlieren. Diese Phasen sind Wendepunkte im Leben, die sowohl individuell als auch im Arbeitskontext betrachtet werden müssen, um eine gesunde Balance zu erreichen.
Die Jüngeren können von der Erfahrung der Älteren profitieren und umgekehrt.
Monika Edlinger, Personal Tranformation Managerin
Worin unterscheidet sich die Einstellung zur Arbeit zwischen den Generationen?
Es gibt deutliche Unterschiede in den Erwartungen und Arbeitsweisen zwischen den Generationen. Die jüngere Generation sucht nach Sinn in ihrer Arbeit und im Privatleben. Sie bevorzugen oft Teilzeitjobs, die ihnen ermöglichen, sowohl beruflich als auch privat intensiv zu leben. Im Gegensatz dazu trennt die ältere Generation Arbeit und Privatleben stärker. Sie geht zur Arbeit, erledigt ihre Aufgaben und schaltet danach ab. Diese unterschiedlichen Erwartungen können zu Missverständnissen führen. Doch gerade diese neuen, fließenden Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben bieten Chancen für eine bessere Lebensqualität. Es ist wichtig, dass beide Generationen voneinander lernen. Die Jüngeren können von der Erfahrung der Älteren profitieren und umgekehrt.
Inwiefern kann die ältere Gesellschaft von der Generation Z und den Millennials lernen?
Jüngere Menschen nutzen vermehrt digitale Möglichkeiten wie künstliche Intelligenz und Apps, was Zeit spart und neue Möglichkeiten eröffnet. Sie gehen auch selbstverständlicher mit Nachhaltigkeit um, tragen Second-Hand-Kleidung und achten bewusst auf Ernährung. Millennials und Co geht es nicht mehr um Besitz, sie nutzen Carsharing und Streamingdienste und geben Geld bewusster aus. Generell sind sie meist kulturell offener, haben internationale Freundschaften und keine Vorurteile gegenüber anderen Nationalitäten. Diese Offenheit und modernen Ansätze sind inspirierend und wertvoll für alle Generationen.
Und umgekehrt?
Jüngere Generationen können von Babyboomern und Co Ausdauer und Beharrlichkeit lernen. Ältere Menschen springen nicht leicht von einem Thema zum nächsten und treffen langfristige Entscheidungen. Das lebenslange Lernen ist ebenfalls eine wertvolle Lektion. Viele bilden sich weiter und zeigen, dass man nicht alles in der Jugend erreichen muss. Die Erfahrung und das Wissen der älteren Generation sind immens und sollten von den Jüngeren anerkannt und genutzt werden.
Wie kann man individuell, aber auch aus Unternehmenssicht solche Konflikte vermeiden bzw. lösen?
Wir agieren oft unbewusst und denken nicht über unsere Bedürfnisse und Work-Life-Balance nach. Selbstreflexion hilft, klar zu kommunizieren, was uns wichtig ist und was wir benötigen, um glücklich und erfolgreich zu sein. Auf Unternehmensebene sind flexible Arbeitsmodelle und klare Ziele entscheidend. Programme wie Mentoring oder Buddysysteme können junge und erfahrene Mitarbeiter:innen zusammenbringen, um voneinander zu lernen.
Vielfalt in der Belegschaft fördert Innovation und schafft ein dynamisches Arbeitsumfeld. Externe Unterstützung kann neue Perspektiven aufzeigen und helfen, Emotionen und Gedanken sichtbar zu machen und sich in andere hineinzuversetzen. Diese Maßnahmen ermöglichen es uns, effektiver mit Herausforderungen umzugehen und ein harmonisches Arbeitsumfeld zu fördern.
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MEHR ÜBER DIE REDAKTEURIN:
Als Redakteurin der WIENERIN erkundet Laura Altenhofer gerne die neuesten Hotspots der Stadt. Besonders angetan hat es ihr jedoch die vielfältige Musikszene Wiens. Ob intime Clubkonzerte oder große Festivalbühnen – man findet sie meist dort, wo die Musik spielt.