© Philipp Steurer
Eine außergewöhnliche Frau mit einer außergewöhnlichen Karriere. Dr. Sabine Haag ist seit 2009 Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums in Wien. Die Bregenzerin erzählt von ihrem bewegten Werdegang, den gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit und ihren Plänen für die Zukunft.
Als Generaldirektorin des KHM Verbandes steht sie seit 2009 dem Kunsthistorischen Museum, dem Weltmuseum Wien und dem Theatermuseum vor. 1990 begann sie als Kuratorin in der Kunst- und Schatzkammer im KHM und machte damit viele lang vergessene Kunstschätze erlebbar. Seit 2017 ist sie außerdem Präsidentin der österreichischen UNESCO-Kommission. Klingt nach seriösem Business – ist es auch. Die vermeintlich knallharte Karrierefrau ist jedoch vor allem eines: leidenschaftliche Kunstenthusiastin. Ihre herzliche und entspannte Art, der elaborierte Sprachgebrauch, die Geduld, die sie ausstrahlt und ihr jugendlicher Charme bilden dabei eine beeindruckend erfrischende Mischung.
Wer sind wir als Gesellschaft? Diese Frage beschäftigte im Herbst das FAQ Festival, zu dem Sabine Haag in ihre alte Heimat eingeladen wurde. Sie wünscht sich mehr Fokus auf das Zusammenleben und mehr kollektiven Stolz auf solche sozialen Themen. Auch in Geschlechterfragen – wir müssen mehr zusammenhalten. Frauen sollten sich gegenseitig fördern, „auch mich hat damals eine Frau ermutigt, den Job beim KHM anzunehmen“. Frau solle sich etwas zutrauen und nie eine Opferposition einnehmen. „Man wächst dann auch mit seinen Aufgaben.“ Drei Kinder und Bombenkarriere – war es so einfach, wie es wirkt? Die Kinderbetreuung ist in der Großstadt noch immer besser organisiert als am Land, das hat geholfen. Aber was viele unterschätzen: „Es braucht den richtigen Partner dazu.“ Sie hat ihn gefunden. „Uns war klar, dass wir beide in unseren Berufen bleiben möchten und wir haben unser ganzes Leben immer als partnerschaftliches Projekt gestaltet.“
Faszinierend. „Geld war nie die Motivation. Ich sehe meinen Beruf als Berufung. Das haben mein Mann und ich auch immer versucht, unseren Kindern zu vermitteln.“ Wenn man etwas gerne macht, macht man es besser, ist sie überzeugt. „Aber natürlich ist es nicht selbstverständlich, eine Berufung zu finden, ich schätze mich glücklich.“ Die Kunsthistorikerin blickt auf eine bewegte Karriere zurück, zum Jahresende wird sie ihr Amt als Direktorin niederlegen und sich neuen, lang ersehnten Projekten widmen. Auch Freunde und Familie sollen dann endlich etwas mehr verdiente Aufmerksamkeit erhalten. Endgültig vom KHM losreißen kann sie sich aber erst im zweiten Anlauf. Bereits 2019 war eine Veränderung geplant. Als der ernannte Nachfolger jedoch in letzter Sekunde das Handtuch schmiss – „ein Schock“ –, konnte Minister Schallenberg sie für weitere fünf Jahre KHM gewinnen.
Nicht der einzige Skandal in ihrer Karriere. Wie das Drehbuch eines James-Bond-Films erzählt sich die Kunstraub-Story um die Saliera, Cellinis aufwendige Goldschmiedearbeit der Spätrenaissance. Für die Kunstliebhaberin ein emotionales Road-Movie. „Tränenreich!“ Als sie 2003, als Erste zum Notfall gerufen, vor der zerschlagenen Vitrine stand, weinte sie vor Verzweiflung. Die Angst um das Kunstwerk war unbeschreiblich. Jahrelang wurde an dem Objekt geforscht. Was, wenn die Diebe denken, dass es mehr Gold enthält als nur die hauchdünne Goldfolie und auf die Idee kommen sollten, es einzuschmelzen? Nicht auszudenken! Zeitungsaufrufe, Hausdurchsuchungen. Ermittlungen von BKA bis FBI – der Skandal ging um die Welt. Nach drei Jahren Ungewissheit und Bangen der ersehnte Moment: das Auspacken der wiedergefundenen Saliera – Aufgabe der Direktorin. „Als ich sie unbeschädigt in Händen hielt, brach ich in Freudentränen aus.“ Happy End. Oder doch noch nicht ganz? Ihre Zukunftspläne sind „mehr Selbstbestimmtheit und Unruhestand. Kunst ist meine permanente Energiequelle, mein Lebenselixier – und nur weil ich meine Position weitergebe, hört meine Neugierde nicht auf.“