Darko Todorovic
Yes she can. In ihren Performances arbeitet die vielseitige Künstlerin mit Musik und Sound, Video, Text, Installation oder Zeichnung. Jetzt eroberte sie sich auch den Regiesessel, denn am 9. November 2023 feierte das von ihr inszenierte Stück GIER von Sarah Kane Premiere am LANDESTHEATER VORARLBERG.
London, San Francisco, Hamburg, Zürich, Kopenhagen.
Schon mit 18 Jahren verlässt Bella Angora – oder Sandra Dorner, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt – ihre Heimat Vorarlberg und zieht, von einer gewissen Unruhe getrieben, von Stadt zu Stadt. Seit 2005 ist Wien ihr Lebensmittelpunkt, von einem Zuhause möchte die gebürtige Lauteracherin dennoch nicht sprechen. „Wien ist ein guter Platz, aber auch nur eine weitere Station. In meinem Leben ist es nie so sehr darum gegangen, endgültig an einem Ort, sondern vielmehr bei mir selber anzukommen“, analysiert die Künstlerin.
CLOSE/R, 2020/2021 (Performance, Installation, Foto, Video).
Königin der Tätowierten.
Bella Angoras Wandervogel-Attitüde ist ihrem Prozess der Selbsterkenntnis äußerst zuträglich. „Jede Stadt schwingt anders, fordert etwas anderes von dir und bringt neue Menschen in dein Leben. Für mich waren die vielen Ortswechsel wichtig, um herauszufinden, wer ich bin, was ich kann und was ich will.“ Das kontinuierliche Umherziehen und Dasein als Grenzgängerin, das nicht immer lustig ist und viel Mut fordert, verbinden sie mit jener Künstlerin, deren Namen sie sich angeeignet hat. Von Kopf bis Fuß tätowiert trat La Bella Angora in den 1920er-Jahren erfolgreich in Varietés auf. „Zu dieser Zeit als Frau so ein Leben zu führen, war sehr ungewöhnlich, das hat mich fasziniert.“ Der Königin der Tätowierten, wie die deutsche Schaustellerin auch genannt wurde, widmete Bella eine eigene Performance, die 2013 im Frauenmuseum Hittisau gezeigt wurde.
Doktrin des Performativen.
Seit gut 20 Jahren hat sich Bella gänzlich der Bühne verschrieben. „Die Kunst hat mir geholfen, mich selbst zu finden und zu mir zu stehen“, weiß sie heute. Am Anfang ihrer künstlerischen Laufbahn steht die Musik. „Ich wollte als Kind unbedingt Sängerin werden, habe aber stattdessen Klavierunterricht bekommen. Weil Singen viel mehr Spaß gemacht hat und um mir eine Bühne zu erschließen, bin ich durch die Nachbarschaft gezogen, habe geklingelt und den Leuten vorgesungen“, erzählt Bella lachend. Später lebt sie ihre Leidenschaft für Musik und Gesang in verschiedenen Bands aus, merkt aber schnell, dass ihr etwas fehlt. „Ich habe mir gedacht: Wenn du schon auf der Bühne stehst, kannst du doch gleich mehr machen.“ Auch wenn sich die vielseitige Wahlwienerin seither verschiedene künstlerische Tools angeeignet hat und medienübergreifend mit Video, Text, Installation oder Zeichnung arbeitet, ist Musik bis heute die Basis geblieben. „Man kann mit Musik und Gesang auf einer sehr emotionalen Ebene kommunizieren und eine besondere Verbindung herstellen“, ist Bella überzeugt.
performative entsprechung eines wertungsresistenten prozesses, 2013/2014.
soft, slow & sweaty – break unltd., Donaufestival, 2013.
Emotion & Intellekt.
Die Zuschauer durch das Zusammenspiel mehrerer Medien auf möglichst viele Arten zu erreichen, um eine intensive Dichte zu erzeugen, ist Bella besonders wichtig. „Ich versuche bei meinem Gegenüber so viele Wahrnehmungsebenen abzudecken, beinahe schon zu okkupieren, wie nur möglich.“ Da kann es schon mal vorkommen, dass sich Bella auf eine Person draufsetzt, während sie singt und Videos von ihr laufen. „Ich möchte, dass meine Arbeiten emotional und intellektuell in gleichem Maße erfasst werden können.“ In ihren Performances reflektiert und analysiert sie kritisch aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen, häufig sind es Themen, die sehr frauenspezifisch sind. „Ich sehe da einen Auftrag an uns Künstler:innen, bestimmte Wahrheiten und Realitäten zu hinterfragen und Verantwortung zu übernehmen. Wir können die Dinge vielleicht nicht ändern, aber thematisieren, ins Bewusstsein rufen, und wir besitzen eine Stimme, die nach außen dringt.“
Internationale Erfolge.
Mit ihren eigenwilligen Arbeiten feiert Bella Angora international Erfolge, was sich in zahlreichen Ausstellungen, Preisen und Stipendien niederschlägt. 2013 etwa erhält sie das Österreichische Staatsstipendium für Video- und Medienkunst, 2021 den Ehrenpreis des Landes Vorarlberg für Kunst. „In Vorarlberg bin ich natürlich besonders gerne, hier habe ich viele schöne Erfahrungen machen dürfen, denn die Kulturinstitutionen im Land sind generell sehr unterstützend.“ Die Galeristin Lisi Hämmerle ist eine der Ersten, die Bella Angora zeigt, mittlerweile war sie in ziemlich allen bekannten Kulturinstitutionen des Landes zu Gast: von vorarlberg museum und kunstraum dornbirn über Poolbar Festival, Theater KOSMOS und Bildraum Bodensee bis zu Magazin 4 und dem Landestheater.
Gekommen um zu bleiben. Check. Theater KOSMOS, 2023 (Performance, Installation, Video).
Im Fiebertraum.
Im November stand ein neues Highlight bevor, als Bella Angora das Stück Gier der Dramatikerin Sarah Kane im Vorarlberger Landestheater auf die Bühne brachte. Dieses Mal als Regisseurin. „Es war eine große Herausforderung, aber auch eine neue Stufe in meiner künstlerischen Entwicklung“, reflektierte sie. Ein Jahr lang hatte sie sich mit dem schwierigen Stück beschäftigt, das Intendantin Stephanie Gräve an sie herangetragen hatte. „Ein mutiger Vertrauensbeweis“, freute sich Bella über die Chance. Die Musikalität des Texts interessierte sie, aber auch jene Zwischenwelten, die ganz subtil immer wieder zwischen den Wörtern aufblinkten. „Die Inszenierung wirkte wie eine Art Fiebertraum“, verriet sie. Premiere war am 9. November 2023, weitere Termine folgten am 10. und 11. November sowie im März 2024.